Nachbetrachtung Dom-Skate-Marathon 16.07.2005

Rund um die Skatenights und offiziellen und inoffiziellen Touren der Inlineforum.de-Partner: News, Allgemeines, Lob und Kritik

Moderator: Burkhard

Ellen

Helm tragen

Beitrag von Ellen »

Ich bin Verkehrssicherheitsberaterin bei der Polizei in Gütersloh und beschäftige mich seit 2002 mit dem Helmtragen von Skatern (siehe auch http://www.polizei-gt.de, Aktuelles, Lichttechn. Gutachten nach Tod der Skaterin - von dort noch Link auf einen Artikel aus März 2002).
Ich habe diese Skaterin sterben gesehen, nicht an der Unfallstelle. Ich wurde hinzugerufen zur Intensivstation und habe mich zu ihren Eltern an ihr Bett gesetzt. Und es war klar, dass sie die Nacht nicht überleben würde. Schwerste Kopfverletzungen ohne Helm. Am nächsten Tag hat sich noch rausgestellt, dass ihre Reflektoren (sie war im Dunkeln von hinten angefahren worden) nicht zu sehen waren, weil sie von der Hose verdeckt waren. Seitdem verschenke ich Reflexstreifen zum Ankleben an die Stopper. So tief, dass keine Hose mehr drüberhängt.
Im Sommer 2002 gab es einen weiteren schweren Skaterunfall hier im Kreis Gütersloh. Sportliches Paar will Bundesstraße überqueren. Ein Auto von links, recht weit weg. Sie fährt, er bleibt stehen. Autofahrer erschrickt sich so, dass er nach links, in ihre Fahrtrichtung, ausweicht und sie erst erfasst, als sie schon fast drüben ist. Schwerste Kopfverletzungen, ohne Helm, Wachkoma. Sie ist heute etwas wacher wieder, liegt aber immer noch im Pflegeheim.
Ich schildere das hier, weil ich eines deutlich machen will: Kein Mensch weiß vorher, wann er oder sie und ob überhaupt zum Unfallopfer wird. Ich betreue auch noch andere Familien, in denen jemand durch schwerste Kopfverletzungen arbeitsunfähig wurde (Radfahrer zumeist). Die Unfallursachen werden immer kurioser. Viele Alleinstürze, zunehmend auch Zusammenstöße mit Tieren. Hund, Katze, Iltisse, Reh - alles hatten wir schon. Und da soll mir mal einer sagen, da mache er oder sie eine Rolle als Abflug. Ich glaub's einfach nicht.
Andererseits sammel ich seit 10 Jahren Unfallhelme von Radunfällen. Mit Helm kann man ziemlich alles überleben. 40-Tonner-Kollision, Buskollision, alles dabei in meiner Sammlung. Teil meines Jobs ist es dann auch, in Schulklassen und öffentlich die Leute wirklich ans Helmtragen zu bringen. Der erwachsene Skater oder Radfahrer sollte sich vor Fahrtantritt grundsätzlich mal Folgendes überlegen: Wer würde mich eigentlich pflegen, wenn ich durch Sturz zum Pflegefall würde, und was würde in unserer Familie dann los sein?
An dieser Stelle zitiere ich gerne mal einen schrecklichen Alleinsturz einer jugnen Radfahrerin, den man als Beitrag über ihr Schicksal unter http://www.wdr.de/tv/aks/spezialbeitrae ... fall.jhtml noch ansehen kann (mit Realplayer). In einer Schrecksekunde nicht mehr handlungsfähig und über eine winzige Bordsteinkante 50 m von zuhause eine Böschung runtergefallen über 5 Betonkübel, die die Böschung einer Souterrainterrasse festhalten. Allein die Schwestern sind über das Schicksal ihrer verunglückten Schwester psychisch krank geworden. Einen ähnlichen Sturz 5 m tief über ein Geländer in ein steiniges Bachbett hatten wir hier mit einem Skater. Mit Helm - und der fuhr nach 30 Minuten weiter...

Ein weiteres Schickal eines Schwerstkopfverletzten findet man unter http://www.polizei-gt.de, Aktuelles, WDR zeigt Unfallfolgen eindrucksvoll.
Nach meinen Erfahrungen der letzten Jahre möchte ich ernsthaft jeden Helmmuffel unter den Skatern um die Überlegung auch bitten, wie eine evtl. Unfallinvalidität abgesichert wäre und sogar noch einen Schritt weiter gehen. Wenn er oder sie durch Hirntod nicht mehr zu retten wäre, sich Gedanken über das Thema Organspende machen. Mag abartig klingen, zeigt aber auch deutlich, dass schwerstkopfverletzte Skater häufig nichts anderes kaputt haben als den Kopf. Dann doch lieber Helm aufsetzen.
Bei den Paderborner Skate-Nights gibt es auch längst Helmpflicht. Die Organisatorin hat sich über ein Aldi-Zentrallager größere Mengen Helme besorgt. Warum nicht. Man muss anscheinen die Leute zu ihrem Glück zwingen.
Es gibt so ein Büchlein "Die letzten Worte des..." Zum Beispiel: Die letzten Worte des Beifahrers "Rechts ist frei".
Machen wir doch noch einen Skaterspruch dazu: Die letzten Worte des Skaters: "Ich kann abrollen"
oder "ich kann bremsen" oder oder oder.
Mein Nachbar ist Unfallchirurg udn sagt immer: Unfälle passieren ganz plötzlich. Wenn man es vorher gewusst hätte, hätte man an dem Tag was anderes gemacht..." - Das stimmt.
Wer Helmfragen mit mir direkt erörtern möche, kann mir unter
Ellen.Haase@guetersloh.polizei.nrw.de eine Mail schicken.
Vorher mal meinen Namen und "Fahrradhelm" oder so bei google eingeben...
Die Helmdisskussion unter http://www.kassel-inline.de ist auch von mir.
Liebe Grüße an alle nachdenklich Gewordenen
Ellen Haase
thorolf
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Beitrag von thorolf »

Hallo Ellen,

erstmal möchte ich Ellen für den tollen Beitrag danken, im Prinzip unterstreicht er exakt die Erfahrungen die ich gemacht habe nur in einem wesenlich weiteren Umfeld!


Ich weiss selber das mir die Diplomatie nicht in die Wiege gelegt worden ist, trotzdem stehe ich zu 100% zu dem was ich bisher gesagt habe! Und ich kann mich nicht erinnern irgendeinen Skater persönlich beleidigt zu haben nur weil ich schreibe das ich Skatern die absichtlich ohne Helm fahren unterstelle das sie sich über die Konsequenzen ihres Handelns keine Gedanken gemacht haben!

Wenn ich mir die Komentare von Nicht-Helmträgern durchlese kann ich nur den Kopf schütteln, sie lenken nämlich nur vom Thema ab und zeigen den verzweifelten Versuch Argumente gegen etwas zu finden für das es keine Gegenargumente gibt!

Auch die Komentare von Emu, der zwar selbst immer einen Helm trägt aber denoch gegen eine Helmpflicht ist kann ich nicht nachvollziehen!

Natürlich werden wir durch das Einführen einer Helmpflicht Skater verlieren, die verlieren wir aber genauso wenn wieder in der Zeitung steht: "Skater tödlich verunglückt", am besten noch ohne Hinweis das er ohne Helm fuhr, das bringt dann die gesamte Veranstaltung in Verruf!

Und selbstverständlich versuchen wir seit Jahren helmlose Skater vom Tragen eines Helms zu überzeugen und bei Neulingen ganz sicher auch sehr freundlich, denoch leider meistens ohne Erfolg!

Das man bei Skatern die trotzdem penetrant weiter ohne Helm fahren irgendwann wütend wird ist menschlich und ganz normal. Und genau DAS sind die Skater die durch das Einführen einer Helmpflicht entweder doch einen Helm aufsetzen oder zukünftig zuhause bleiben und das ist gut so!


Wir werden zur nächsten offiziellen Skatenight Helme zum Verkauf anbieten, nach bisherigen Planungen welche die im Test mit befriedigent abgeschnitten haben und ab ca. 10 EUR zu haben sein werden. Solche Helme schützen den Kopf völlig ausreichend (und hätten auch dem Verunglückten das Leben gerettet) und damit wären schonmal die Ausreden "Helme sind zu teuer" und "ich hatte noch keine Zeit einen zu kaufen" vom Tisch. Wer mehr Komfort haben will kann auch mehr ausgeben, weitere Einzelheiten wird Friedel dann bekannt geben wenn alles abschließend geklärt ist!
Chau y hasta luego,

Thorolf
Michael
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Beitrag von Michael »

Emu hat geschrieben:...ich möchte mal die hören, die sich beim ersten Kauf eines Inliner-Schuhes gleich den Helm dazugekauft haben, vor denen ziehe ich meinen Hut...
Das ist ein sehr interessanter Aspekt: der erste Skate- und Helmkauf.

Nach meiner Erfahrung werden in vielen Läden beim Verkauf von Skates zwar die normalen Gelenkschützer dazu angeboten, nicht jedoch der Helm. Oft wird nichtmal ein angemessenes Helmsortiment in der Nähe der Inlineskates präsentiert. Das zu ändern wäre ein wichtiger Ansatzpunkt.

Woran könnte es liegen? Vielleicht nur Gedankenlosigkeit, vielleicht ist aber auch die durch den Helm verdeutlichte (Lebens-)Gefährlichkeit des Skatens dem Verkauf dieser Leichtigkeit verheißenden Sportart abträglich.
Wohl niemand setzt sich gerne mit den lebensgefährlichen Aspekten seines Tuns auseinander (Leben ist schließlich immer lebensgefährlich) und entsprechend werden auch Aufklärungskampagnen möglichst ignoriert und je penetranter (nerviger) sie sind, desto leichter.

Für mich persönlich spricht das für eine Helmpflicht durch die Veranstalter, denn ich halte diese Einschränkung der Teilnehmerfreiheit für geringfügig. Trotzdem finde ich eine Schuldzuweisung derart, dass man sich ohne Helmpflicht als Veranstalter am Tod eines helmlosen Skaters schuldig macht, für falsch. Die Teilnehmer sind i.d.R. erwachsene Menschen, entscheidungsfähig und für ihr Tun selbst verantwortlich. Veranstalter (Gesellschaft, Staat...) können und wollen keine Vollkasko-Umgebung bieten, Einschränkungen individueller Entscheidungsmöglichkeiten sind immer sorgfältig abzuwägen.

Wirklich in der Pflicht sind wir nur bei der sachlichen Aufklärung und der Vorbildfunktion (Ordner etc. immer mit Helm), ich denke da tun auch fast alle das Mögliche.

Gruß, Michael


PS.: Schade, dass es so schwierig geworden ist, in diesem Thread die interessanten Aspekte aus zu vielen entweder unnnötig persönlichen oder unnnötig generalisierenden Vorwürfen herauszudestillieren...
Zuletzt geändert von Michael am Donnerstag 21. Juli 2005, 11:51, insgesamt 1-mal geändert.
thorolf
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Beitrag von thorolf »

Hallo Sven,
Sven hat geschrieben:Der Skater war dir zu diesem Zeitpunkt total anonym, Du kanntest Ihn nicht. Wider erwarten kam das Posting vom Sohn des Skaters.
An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders für die persönliche Stellungnahme von Volker bedanken, der hier auch die Helmpflicht fordert. Mit seinem Statement hat er Meiner Meinung nach viele Skater wachgerüttel und viel erreicht.
Auch ich fand diese Stellungsnahme sehr gut und sehr wichtig!
Sven hat geschrieben:Nach diesem Statement muß Du Thorolf natürlich eine Rolle rückwärts machen mit deiner Argumentation und schriebst nur 2 Tage danach um Dein nicht unbekanntes Gesicht hier zu wahren:
Ich weiss nicht welche Rolle ich gemacht haben soll, denn meine Argumentation ist exakt die gleiche geblieben und ich trenne nach wie vor zwischen Helmträgern und Helmverweigeren. Aber kein Mensch ist perfekt, jeder kann mal seinen Helm vergessen und wie man dann vorgeht ist sicher sehr unterschiedlich - ich ziehe den Helm übrigens immer als erstes an, noch vor den Skates, dann vergesse ich ihn nicht und beim Anziehen der Skates ist es schon häufig vorgekommen das man umkippt!
Sven hat geschrieben:Wenigstens hast du Dich zu Deinem Beileid durchringen können, das war sehr anständig von Dir!
Ich gebe zu das ich sehr wütend auf den vor mir gestürzten Skater war, das Posting seines Sohnes hat mich aber beruhigt und im übrigen tut mir jeder Mensch leid der unverhofft stirbt!
Sven hat geschrieben:Ich gehe hier speziell auf Thorolf ein, weil es kein persönlicher Feind von mir ist, sonder er als Multiplikator seine Vorbildfunktion missachtet.
Warum, weil ich unverblümt Tatsachen auspreche?

Natürlich ist es hart und "pietätlos" wenn ich schreibe das jemand "selbst Schuld ist" weil er ohne Helm auf den Kopf gefallen ist und gestorben ist!
Trotzdem war es leider so.

Und was ist falsch daran wenn ich mich über Skater ärgere die WISSEN das der Helm im Zweifelsfall ihr Leben rettet und versuchen mit dummen Ausreden einen Grund zu finden doch lieber ohne Helm zu fahren? Wie würdest Du diese Leute denn nennen?
Sven hat geschrieben:Besonders schade finde ich, daß hier auch andere Ordner sich mit unqualifizierten Kommentaren bemerkbar machen.
Warum, weil auch sie die Tatsachen sehen und aussprechen und nicht still sind und sich aus der Diskussion heraushalten wie die meisten anderen? Und was bitte war an Victors Kommentaren "unqualifiziert"?
Chau y hasta luego,

Thorolf
hartmut.borchers@worldonl

Tödlicher Unfall

Beitrag von hartmut.borchers@worldonl »

Alle eure Stimmen zu diesem Thema sind richtig, doch halte ich in dieser Situation einen verbalen Schlagabtausch für nicht hilfreich. Der arme Skater ist gestorben, ob Schuld oder nicht, macht ihn nicht wieder lebendig. Ich denke, wir sind alle von diesem tragischen Unfall derartig geschockt, dass es die Frage, Helm oder nicht, nicht mehr geben sollte. Mir hat hat mein Helm schon dreimal das Leben gerettet. Lasst uns mit den Angehörigen trauern und dem Skater am Freitag um 11Uhr auf dem Kasteler Friedhof die letzte Ehre erweisen.
Gruß an alle
Hartmut
Ellen

Spendenaktion

Beitrag von Ellen »

weiß jemand, ob es nach dem Tod des Skaters eine Spendenaktion der Angehörigen gibt? Oder könntet ihr eine solche anregen? Z. B. für die Hannelore-Kohl-Stiftung, die Vorbeugung und natürlich Rehabilitation von schwerst-hirngeschädigten unterstützt udn da bundesweit sehr wertvolle Arbeit leistet. ( http://www.hannelore-kohl-stiftung.de)
Ich habe letztes Jahr 1800 Aldi-Helme als Restposten weitervermitteln dürfen und auch daraus eine sinnvolle Spoendenaktion gemacht: jede Schule oder Verein, die Helme abhaben wollte, musste pro Helm 2 Euro an die Familie zahlen, wo die junge Mutter nach Skaterunfall im Pflegeheim liegt. 1800 Helme waren in 3 Stunden weg. Ich hätte doppelt so viele verteilen können. Sinnigerweise waren sie vorher im Aldi für 4 Eurto als Ladenhüter liegengeblieben.
Ellen
Burkhard
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Registriert: Mittwoch 29. Juni 2005, 10:25
Wohnort: Mainz

Beitrag von Burkhard »

Die Helm-Diskussion läuft parallel in 2 Themen.
Hartmuts Beitrag ist ein passender Abschluss, um dieses Thema hier zu schließen.


Bitte diskutiert wg. Helmen im schon laufenden Thema Helmpflicht weiter.
Wer noch speziell zum 16.7.schreiben möchte, macht ein neues Thema auf (bzw. benutzt wg. Fotos das dazu vorhandene Thema).

... und verzichtet bitte auf gegenseitige Anschludigungen und Beleidigungen ...


Danke!
WNS-News bei Twitter: http://twitter.com/wnsmainz
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